Nach der Wahl ist vor der Wahl. Oder sowieso egal?

Ein Kommentar der Redaktion zur Kommunalwahl 2020 und außerparlamentarischer Politik.


Neuzusammensetzung des Stadtrats

Vergangenen Sonntag fanden die bayerischen Kommunalwahlen statt. Und trotz Corona-Pandemie stieg die Wahlbeteiligung in diesem Jahr allerorten deutlich an. In Aschaffenburg immerhin von 37,14% im Jahr 2014, auf nun 48,15%.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Im Aschaffenburger Stadtrat sind keine allzu großen Änderungen zu erwarten. Es gab vorhersehbar Stimmverluste für CSU und SPD, während die Grünen, gemäß dem Bundestrend, deutlich zulegten. Wenn auch wieder einmal unter so mancher Erwartung.

Erfreulich ist, dass die basisdemokratische WählerInnenliste der KI wieder zwei Sitze erlangt hat, die mit Hans Büttner und Jürgen Zahn besetzt werden. Eine herzliche Gratulation an dieser Stelle!

Weniger erfreulich dagegen ist der, durchaus erwartete, Einzug der AfD – wobei Einschätzungen im Vorfeld zu einem noch stärkeren Ergebnis tendierten. Mit ihren zwei erreichten Sitzen bleibt sie unter Fraktionsstärke (erfordert min. drei Sitze). Und dass sich eine andere Partei oder Gruppierung des Stadtrats mit der AfD zu einer Ausschussgemeinschaft (erfordert min. 2+2 Sitze) zusammenschließt, um darüber Zugang zu kleinen Ausschüssen und finanziellen Extras zu erhalten, scheint derzeit (noch) ausgeschlossen. Und falls sich ein solcher „Dammbruch“ doch abzeichnen sollte, muss antifaschistischer Protest eine Selbstverständlichkeit sein.

Für die Grünen und SPD sind einige jüngere Kandidaten in den Stadtrat eingezogen. Und in der am 29. März anstehenden Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters, dürfte das Votum deutlich auf den SPD-Kandidat Herzing fallen, der dann noch-Oberbürgermeister Klaus Herzog nach 20-jähriger Amtszeit ablöst.

Es wird sich zeigen, ob neue Gesichter anlassbezogen dazu beitragen, dass die versteinerten Aschaffenburger Stadtratsverhältnisse und die Macht der bisherigen „GroKo“ vielleicht von innen heraus bei der ein oder anderen Entscheidung porös werden.

Das Stadtratsmehrheiten für außerparlamentarische Linke nicht völlig irrelevant sind, zeigte zuletzt beispielhaft die knappe Ablehnung des Antrags, dass sich Aschaffenburg dem „Bündnis Städte sicherer Häfen“ anschließt.

Ungeachtet von möglichen Farbspielereien gilt es immer genau zu überlegen, wann und unter welchen Bedingungen es Sinn ergibt, Forderungen an den Stadtrat zu richten.

Außerparlamentarische Basispolitik 

So gab es im letzten Jahr Proteste vor dem Rathaus, die direkt an den Stadtrat adressiert waren und nur dürftig besucht waren. Das Problem an diesen Protesten ist nicht allein das Offenlegen einer Mobilisierungsschwäche. Sondern dass damit auch versucht wird die eigene fehlende politische Entscheidungs- und Gestaltungsmacht durch die Macht der Institutionen zu kompensieren. Und dass damit erzielte Erfolge die Logik fördern, es bräuchte für politische Veränderung lediglich institutionelle Mehrheiten statt breiten gesellschaftlichen Rückhaltes und politischer Kämpfe. Einer Logik, der wir als außerparlamentarische Linke immer entgegenstehen müssen.

Denn wieso sollte man sich noch bemühen hinter einer politischen Forderung eine gesellschaftliche Kraft zu organisieren, um darüber Handlungssdruck aufzubauen, wenn es doch die bequeme Abkürzung eines Stadtrats-Mehrheitsentscheids auf Antrag gibt, der (vermeintlich) dasselbe Endergebnis bringt?

Stellvertreterpolitik – aber auch linker Aktivismus – neigen dazu, die langwierigen Mühen der Ebenen politischer Basisarbeit zu umgehen. Soziale Kämpfe mit der Absicht emanzipatorischer Zuspitzung leben aber gerade von breit verankertem Rückhalt und einem widerständigen Aufbegehren von unten.

Um diese Kämpfe zu initiieren oder zu verstärken, kann die Adressierung des Stadtrats sinnvoll und wichtig sein. Es sollte dann aber als ein mögliches taktisches Mittel gedacht werden und nicht als Ersatz für politische Basisarbeit.

In Zeiten einer – in Aschaffenburg – intensiveren Verknüpfung „großpolitischer“ Themen mit kommunalen Handlungsmöglichkeiten durch außerparlamentarische Akteure (siehe bspw. „sicherer Hafen AB“, „Verkehrswende selber machen“,  „noditib“ oder „FFF Aschaffenburg“) dürfen wir das nicht vergessen.

 

 


 

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