Keine Abschiebung nach Afghanistan

Am vergangenen Montag hatte die Seebrücke Aschaffenburg zu einer Kundgebung am blauen Klavier im Schöntal aufgerufen. Wenige Tage zuvor war der 23jährige Fahim von der Polizei abgeholt worden, um ihn in München in Abschiebehaft festzuhalten. Rund 30 Freund*innen und Unterstützer*innen waren gekommen, die persöhnliche Betroffenheit war sowohl den Redner*innen als auch den Kundgebungsteilnehmer*innen anzumerken.
Vor vier Jahren hatte sich der Aschaffenburger Stadtrat in einem Beschluss gegen Abschiebungen nach Afghanistan ausgesprochen, jetzt wäre es – längst überfällig – Zeit, zu diesem Beschluss zu stehen. Dazu appelliert auch die Seebrücke Aschaffenburg, deren Schreiben an die Stadträt*innen wir im folgenden veröffentlichen. Mittlerweile hat die KI zusammen mit der ÖDP und UBV einen Eilantrag gestellt, die Resolution, sich gegen Abschiebungen nach Afghanistan auszusprechen, erneut zu bekräftigen und dafür auch beim Bundesinnenminister sowie beim bayerischen Innenminister zu intervenieren.

 


Liebe Stadträtinnen und Stadträte,

Am 8.6. wurden 42 Menschen nach Afghanistan abgeschoben.(Quelle 1) In das Land, das laut Global Peace Index 2020 zum zweiten Mal in Folge zum unsichersten Land der Welt erklärt wurde. Auch Fahim aus Aschaffenburg war unter den Abgeschobenen. Er ist jetzt in Kabul, einer Stadt, in der er nie zuvor gewesen ist, in einem Land, das er seit seiner Kindheit nicht betreten hat.

Am 2.6. wurde der 23-Jährige von der Polizei morgens um 6 Uhr aus seiner Wohnung in Aschaffenburg abgeholt. Daraufhin wurde er fast eine Woche in Abschiebhaft in München festgehalten und anschließend am 8.6. nach Afghanistan abgeschoben. Fahim lebte seit August 2015 in Aschaffenburg. Er hat keine Freund*innen oder Verwandten in Afghanistan. Seine Familie lebt seit seiner Kindheit im Iran. Doch auch dorthin kann er aufgrund der lebensbedrohlichen Grenzkontrollen nicht gehen. Sein neues Zuhause war Aschaffenburg. Doch der Folgeantrag durch seinen Anwalt wurde vom BAMF und vom Verwaltungsgericht abgelehnt. Es bestehe laut ihrer Ablehnung „keine Gefahr für Leib und Leben“ für ihn. Diese Begründung ist aus unserer Sicht mehr als zynisch, betrachtet man die vielen Anschläge und Toten in dem seit Jahrzehnten von Terror und Armut gebeutelten Land.

Abschiebungen nach Afghanistan stehen schon lange intensiv in der Kritik. Eine aktuelle Studie von Friederike Stahlmann zeigt, dass ein Teil der Abschiebungen auf Fehlentscheidungen des BAMFs beruhten.(Quelle 2) Auch die Todeszahlen durch Anschläge und Armut in den letzten Jahrzehnten (!) sollten ein eindeutiger Grund sein, um Menschen nicht dorthin zurückzuschicken. Afghanistan ist und bleibt kein sicheres Land.
Erst gestern hat außerdem der EUGH ein neues Urteil gefällt, nach welchem die Einschätzung der Sicherheit bzw Gefahren in Herkunftsländern im Einzelfall intensiver geprüft werden müssen. Dies beinhaltet zum Beispiel das Verhältnis von zivilen Opfern zur Gesamtbevölkerung, was gerade im Fall von Afghanistan eine entscheidende Rolle spielen kann.(Quelle 3)

Bereits 2017 sprach sich eine breite Mehrheit des Aschaffenburger Stadtrats gegen Abschiebungen nach Afghanistan aus. Als Resultat aus diesem Beschluss fordern wir den Stadtrat dazu auf, alles in seiner Macht stehende zu tun, um weiteren Abschiebungen nach Afghanistan aus Aschaffenburg entgegenzuwirken und den Beschluss neu aufzurollen, um zu prüfen welche Handlungsperspektiven es geben kann.

Denn was nützen uns Beschlüsse, wenn sie keine Folgen haben. Es ist unmenschlich und schlichtweg falsch Menschen nach Afghanistan zurückzuschicken. Das muss scheinbar leider immer wieder mit Nachdruck wiederholt werden bis sich irgendwann etwas verändert. Und das auch, wenn nicht immer eine konkrete Befassungskompetenz vorliegt…

Mit freundlichen Grüßen

Seebrücke Aschaffenburg

Quellen:
1. https://www.n-tv.de/politik/42-Maenner-n…le22606061.html
2. https://www.pressenza.com/de/2021/06/neu…obene-afghanen/
3. https://www.zdf.de/nachrichten/politik/e…chland-100.html

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