Aufreger in der Aschaffenburger Kommunalpolitik

In zwei Main-Echo Artikeln ( Artikel vom 15.09.20 und Artikel vom 17.09.20 ) waren letzte Woche anlässlich aktueller Stadtrats- und Senatssitzungen von Eklats, Kriegserklärungen und von populistischen Holzhämmern die Rede.

Zu den Hintergründen haben wir den beiden KI-Stadträten Jürgen Zahn und Johannes Büttner ein paar Fragen gestellt.

 


361°: Hallo Jürgen, Anfang der Woche konnte man im Main Echo lesen, dass es von Seiten der KI harsche Kritik an der Auslagerung der Krankenhaus-Wäscherei (siehe dazu auch unseren Artikel vom 25.08.20 ) geübt wurde. Oberbürgermeister Herzing kritisierte den Stil deiner Wortmeldung und sprach von Hochmut. Main-Echo Redakteur Peter Freudenberger schrieb in einem Kommentar von „oberlehrerhaften“ Rechtfertigungen deinerseits und warf dir vor, den „populistischen Holzhammer“ auszupacken.

Wie hast du die Sitzung wahrgenommen? Wie konnte es aus deiner Sichtweise zu dieser Eskalation kommen?

Jürgen Zahn: Der Anlass war meine Rede (diese ist am Ende des Interviews dokumentiert) im Plenum zum Thema „Auslagerung der Wäscherei im Klinikum“. Diese hat zu einer kontroversen Diskussion geführt und die meisten Redner haben sich darüber echauffiert, dass ich die Klinikleitung massiv kritisiert habe. Dazu stehe ich vorbehaltlos und es ist das Recht und die Pflicht eines jeden Stadtrates, die Qualifikation eines leitenden Mitarbeiters infrage zu stellen. Die Entscheidung zur Auslagerung der Wäscherei ist 2019 getroffen worden – auch mit Zustimmung des Aussichtrates in dem u. a. die CSU (Dr. Löwer), SPD (Herr Herzing) und GRÜNE (Herr S. Wagener) vertreten sind und die ihre in 2019 getroffene Entscheidung nicht infrage stellten, sondern vehement verteidigten. Mittlerweile haben sich jedoch wesentliche Rahmenbedingungen geändert:

  1.       Die Welt und unsere Gesellschaft befindet sich mitten in der Corona-Pandemie. Im Frühjahr 2020 sprach die Politik von systemrelevanten Bereichen unter denen natürlich auch die Krankenhäuser zu sehen sind. Hier muss ein Umdenken stattfinden. Eine Klinik darf nicht wie ein Profit-Center geführt werden. Gesundheit ist keine Ware, die nur nach monetären Gesichtspunkten bewertet werden kann. Zieht man keine Lehren aus der Pandemie?
  2.       Der Gesundheitsminister Spahn hat Anfang September 2020 einen milliardenschweren Krankenhausfonds zur Verfügung gestellt. Die Anträge zu diesem Fonds müssen bis Ende 2020 gestellt werden. Das war u. a. auch der Grund für den Eilantrag der KI zu diesem Thema. Die Gelder aus diesem Fond – auch wenn sie ggf. für andere Bereiche des Klinikums eingesetzt werden – könnten Freiräume für die Wäscherei schaffen.

Die Wäscherei ist nur der Anfang von geplanten weiteren Auslagerungen im Klinikum, das in kommunaler Hand bleiben muss! Den Vorwurf des Populismus kann ich nicht ernst nehmen und werde diesen auch nicht kommentieren. Ich muss allerdings die Frage stellen, ob es sich hier um eine unabhängige und faire Berichterstattung des Main-Echos handelt, zumal das Main-Echo es mir als Stadtrat nicht ermöglicht, in einer Stellungnahme oder Leserbrief darauf zu reagieren. In einer schriftlichen Anfrage wurde das abgelehnt.

 

361°: Hallo Hans, nur wenige Tage später konnte man im Main Echo lesen, dass Oberbürgermeister Herzing dir eine Wortmeldung im Umwelt- und Verwaltungssenat verweigerte. Laut Presse siehst du darin eine „Kriegserklärung“ und hast dem OB vorgeworfen, dass wir nicht bei der Feuerwehr seien. 

Worum ging es in diesem Konflikt und wie hast du die Auseinandersetzung wahrgenommen?

Johannes Büttner: Im Umwelt- und Verkehrssenat (UVS) habe ich bis zum Tagesordnungspunkt 5, als Stellvertreter der KI*, nur als Zuhörer teilgenommen.

Zu Punkt 5 „Abriss und Neubau auf dem Gelände des Heylands-Baues/Aloha-Bar“ (sie auch Artikel der KI hierzu) hatte ich einen Antrag gestellt, der auf die mögliche weitere Nutzung als Gastronomie eingeht und mit Jürgen Zahn abgesprochen, dass ich dazu rede.

Zu diesem Punkt hatte der Kollege Zahn als ordentliches Mitglied seinen Platz verlassen und mir als Stellvertreter im UVS den Sitz überlassen. Die Sitzung wollte er als Zuhörer auf dem Gästeplätzen der Verwaltung weiterverfolgen. Damit hatte ich nach der bisherigen Praxis Rede- und Abstimmungsrecht.
Rederecht hatte ich auf jeden Fall, da ich sozusagen „Antragsbegründungsrecht“ für den aktuell eingereichten Antrag habe. Mir das Rederecht zu entziehen ist daher mit dem Kommunalrecht nicht zu begründen, sondern kann wohl nur am Bauprojekt selbst liegen.

Es stellt sich hier die Frage, warum keine Kritik an diesem von dem geübt werden darf, der sich über mehrere Tage mit der Geschichte und der Struktur des Baues beschäftigt hat. Warum wird ein historischer Bau abgerissen, der im Jahre 2013 vom Dach bis zum Erdgeschoß für viel Geld renoviert wurde? Warum wird ein Mietwohnungsbau mit Gaststätte beseitigt, um ein Bürogebäude mit kapitalorientiertem Wohnprojekt, wenn auch barrierefrei und auf junge Menschen mit Behinderung ausgerichtet, mit Eigentumswohnungen zu genehmigen?

Wo ist der Anspruch nach Erhalt von Mietwohnungen geblieben? Warum wird auf die optische Gestaltung keine Rücksicht genommen? Keine Übernahme von Sandsteingestaltung im Erdgeschoss, wie z.B. bei den Schöntalhöfen in der Nachbarschaft. Wie kann der Bestand des Colos-Saal (ehemals Gambrinus) gesichert werden?

Ich kann nur feststellen: Unbequeme Kritik ist kein Grund, um mir das demokratische Rederecht im Senat zu entziehen. Dass ich von der Redesperre vollkommen überrascht war, kann sich jeder vorstellen.

Oberbügermeister Herzing ging es sicher auch darum, die kritische KI abzustrafen. Das habe ich intuitiv auch gespürt und bin emotional geplatzt. Ich habe ihm lautstark vorgeworfen, dass dies ein Skandal sei, dass es rechtswidrig ist und dass ich das als Kriegserklärung an die KI sehe.

Dass ich beim Rausgehen noch hineinrief, „wir sind nicht bei der Feuerwehr“, hat damit was zu tun, dass bei dieser nicht demokratisch entschieden wird, wo und wie gelöscht wird, sondern situationsbedingt Befehle erteilt werden (müssen). Im Gegensatz dazu kann und sollte es im Stadtrat eben demokratisch zugehen. Meine Anmerkung war also nicht als Herabwürdigung dieses Standes gedacht. Und sie ist auch vor dem Hintergrund einzuordnen, dass Oberbürgermeister Herzing lange Zeit Feuerwehrbeamter in leitender Funktion war.

Die Konsequenzen aus all dem sind: Zum einen werden wir über das Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit prüfen lassen. Bis dies geklärt ist wird wohl der Beschluss erstmal auf Eis gelegt. D. h. die Baugenehmigung ruht. Sollten wir Recht bekommen, muss der Beschluss wiederhohlt werden. Desweiteren muss die Geschäftsordnung in Sachen Rederecht konkretisiert werden.

361°: Wir danken euch für die Beantwortung der Fragen.

 


Wir dokumentieren an dieser Stelle die uns zugesandte Rede von Jürgen Zahn, gehalten am 14.09.2020:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren!

Hat das Management des Klinikums eigentlich den sehr lauten KNALL im Frühjahr dieses Jahres nicht gehört und ist aufgewacht von dem „weiter so wie immer“? Frau Reiser sieht das Klinikum wie ein Unternehmen im Silikon Valley, dass optimiert und Reif für die Börse gemacht werden muss. Und Frau Reiser, externe Berater übernehmen keine Verantwortung und agieren nach der Hubschraubertaktik: Teuer bezahlt, einfliegen lassen, Staub aufwirbeln, ausfliegen lassen!

Nun soll nach der Hausreinigung die Wäscherei ausgelagert werden! Frau Reiser hat ausgeführt das weitere Optimierungen nach Kontroller-Sichtweise geplant sind. Dem muss Einhalt geboten werden.

Denn was ist mit Qualität, Nachhaltigkeit, Umweltschutz, den Menschen? Wird dann Tonnenweise Wäsche in der Gegend herumgefahren?

Hygiene und Keimfreiheit in einem Krankenhaus sind extrem wichtig. Nicht nur Corona, sondern auch multiresistente Keime bedrohen die Menschen und da fällt dem Klinik-Management nichts Besseres ein, als systemrelevante Teile auszulagern!

Meine Damen und Herren, vielleicht sollte man im Management etwas ändern?

Sind denn interne Alternativen sorgfältig geprüft worden (z.B. Leasing der Maschinen)?

Ich darf sie lieber Stadtrat – die die Bürger der Stadt Aschaffenburg vertreten – deshalb bitten dem Antrag der KI zuzustimmen, die Klinikleitung aufzufordern, die Auslagerung der Wäscherei sofort zu stoppen.

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