Leseempfehlung: „Die Gefährten“ von Anna Seghers

Die Revolution sagt ich bin, ich war, ich werde sein (Rosa Luxemburg)

– Für die kommunistische Weltrevolution.

Leseempfehlung „Die Gefährten“ von Anna Seghers

 

„Die Gefährten“ von Anna Seghers erschien 1932 nur vier Tage vor der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler. Am 19.05.1933 brannten in ganz Deutschland Bücher und die Nazis feierten ihre „Aktion wider den undeutschen Geist“. In Folge begann die systematische Verfolgung unliebsamer Schriftsteller*innen. Auch alle bis dato erschienen Werke Anna Seghers brannten in diesen Tagen.

Die Autorin

Anna Seghers war bereits seit 1928 Mitglied der KPD, 1929 war sie Mitbegründerin des „Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller“. Als Jüdin und bekennende Kommunistin, die auch unter dem faschistischen Regime den Mund nicht halten wollte, verließ sie 1933 Deutschland nachdem sie erstmalig von der Gestapo verhaftet worden war. Über diverse Zwischenstationen nahm Anna Seghers ihre weitere Tätigkeit aus dem Exil in Mexiko heraus auf. Neben ihrer literarischen Arbeit gründete sie in Mexiko Stadt den antifaschistischen „Heinrich-Heine-Club“, welcher zwischenzeitlich mehrere hundert Mitglieder hatte und zu einem relevanten kulturellen Forum der Exil-Gemeinschaft wurde.

1947 kehrte sie nach Deutschland zurück, anfangs nach West-Berlin, wo sie politisch als SED-Parteimitglied arbeitet. Später siedelte sie nach Ost-Berlin um. 1983 verstarb Anna Seghers in der DDR.

Ihr bekanntester Roman ist wohl „Das siebte Kreuz“, welcher auch als ihr größter Erfolg gilt. Hier stehen Humanität, Menschlichkeit und Empathie im Vordergrund, während bei den „Gefährten“ das Hauptaugenmerk deutlich auf dem Aufbau einer von sozialer Gerechtigkeit geprägten, kommunistischen Weltgesellschaft liegt. Diese sich klar positionierende, sozialistische Prosa Anna Seghers scheint heute eher in Vergessenheit geraten zu sein, hat jedoch in einigen Punkten nichts an Aktualität verloren.

Die Gefährten“

Stilistisch kann das der Neuen Sachlichkeit zuzuordnende Werk mit seiner collagenhaften Erzählstruktur für heutige Leser*innen eine Herausforderung sein. Die klare, knappe, schmucklose Sprache bietet wenig Erläuterungen. Extrem fokussiert und präzise trifft die Sprache und hinterlässt eine tiefe Eindrücklichkeit. Trotz fehlender emotionaler Aufladung löst der Text durchaus Emotionen aus und hinterlässt einen enormen Nachhall.

Ein gewisses Maß an zeithistorischer und politische Vorbildung (oder die Bereitschaft sich parallel zu informieren) ist dabei unerlässlich. Den Rahmen der im Buch erzählten einzelnen Handlungsstränge bildet die Arbeit für die kommunistische Partei mit Blick auf die Weltrevolution. Die handelnden Figuren begegnen sich in der Regel nicht, die Handlungen führen zu keinem gemeinsamen Roman-Höhepunkt. Dabei wird nahezu ausschließlich aus der Perspektive der agierenden Genoss*innen (Gefährt*innen) erzählt, es finden kaum externe Betrachtungsweisen Eingang in den Text (einzige Ausnahme bildet hier der Gefängnisarzt, der mit der Zwangsernährung der hungerstreikenden Inhaftierten beauftragt ist). Der rote Faden bleibt stets die kommunistische, politische Arbeit unter verschiedenen Bedingungen, in diversen Ländern (der Roman ist dabei sehr internationalistisch!) und unter vielfältigen Aspekten (Knastarbeit, Exil, Streik, Armut, Frauenfrage).

Die verschiedenen Akteure (darunter ein Kommandeur, Hochschullehrer, Arbeiter und Offiziere) handeln an diversen Schauplätzen (ungarischer Bürgerkrieg 1919 und das Ende der ungarischen Räterepublik, ein Textilarbeiterstreik in Polen, der Pilsudski-Umsturz 1926 und weitere) und an unterschiedlichen Orten (Berlin, eine nicht näher bezeichnete Universitätsstadt in Südwestdeutschland, London, Schanghai). Die kommunistischen Kämpfer*innen aus verschiedenen sozialen Schichten mit ihren jeweiligen Lebenserfahrungen und Altersklassen reichen dabei von Arbeiter*innen über Bauern bis zu Hochschullehrern.

Die Genoss*innen sind beteiligt an Arbeitskämpfen und Demonstrationen, machen Basisarbeit und illegale Aktionen, verteilen Flugblätter und halten konspirative Treffen ab. Sie leben in der Illegalität und kämpfen gegen Repression und Staatsgewalt, gegen ihre Armut und das Prekariat. Es geht um die Frauenfrage und eine solidarische, internationalistische, klassenkämpferische Arbeit. Ein hoher Stellenwert hat hierbei durchgängig Zugang zu Bildung und das lebenslange Lernen jedes Einzelnen.

Mit beeindruckendem Mut und hoher Kompromisslosigkeit kämpfen die „Gefährten“ für eine gerechte, lebenswerte Welt. Dabei treten individuelle Belange klar in den Hintergrund, die Arbeit für die Partei und „die Sache“ stehen an erster Stelle. Es gibt auffallend wenig bis gar keine Momente, in welchen die Figuren von Selbstzweifel geplagt werden oder eine Selbstreflektion erfolgt. Die erteilten Aufträge der Partei werden somit auch nicht hinterfragt.

Kampfgeist und die Hoffnung auf ein gutes Leben für alle leitet die „Gefährten“. Dabei wird immer wieder eindrücklich die große Solidarität untereinander beschrieben. Die gemeinsam arbeitenden Genoss*innen unterstützen sich gegenseitig, die politische Arbeit ist getragen und unterfüttert von Freundschaftlichkeit und dem festen Band der gemeinsame politischen Ideologie. Sie trotzen damit der über sie hereinbrechenden repressiven Flut der Staatsgewalt ausgehend von der herrschenden Klasse und dem daraus resultierenden Leid bis in den Tod.

Bedeutung für heutige Leser*innen

Als Schriftstellerin hat Anna Seghers mit ihrem Gesamtwerk bis heute einen hohen Stellenwert. Preise, Schulen, Straßen, Bibliotheken und öffentliche Plätze sind nach ihr benannt. Beachtlich für eine Frau, die bis an ihr Lebensende bekennende Kommunistin war und mit Blick auf ihre DDR-Solidarität durchaus gerade aus linker Perspektive kritisch betrachtet werden kann. Auch wenn „Die Gefährten“ als „Kind seiner Zeit“ rezipiert werden muss, sollte der Roman heute nicht als anachronistisch abgetan werden. Das Lesen lohnt sich, können die Handlungs- und Lebenswege der beschriebenen Genoss*innen Motivation und neue Hoffnung für die eigene politische Arbeit geben. In jedem Fall ist es ein Dokument der revolutionären Literatur und des Klassenkampfes.

Anna Seghers widmete sich bis an ihr Lebensende dem Aufbau eines antifaschistischen Deutschlands. Die Literatur hatte für sie hierbei und auch für den Aufbau des internationalen Sozialismus eine hohe Bedeutung. Unter diesen Prämissen sind ihre Werke und hier vor allem „Die Gefährten“ auch bis heute unabdingbar in jedem gut sortierten linken Bücherregal und ohne Einschränkung eine Lese- und Nachdenk-Empfehlung.

 

Anna Seghers

„Die Gefährten“

Erstmalig erschienen 1932 in der „Universumbücherei für alle“

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