Wie es zur Entstehung der IL Aschaffenburg kam

Das Redaktions-Team von 361° ist Teil der Organisation Interventionistische Linke Aschaffenburg. Doch was hat es mit dieser Gruppe mit dem verschwurbelten Namen* eigentlich auf sich? Im folgenden Beitrag wird die Entstehungsgeschichte kurz nachgezeichnet.

2012 beschäftigte sich ein kleiner, politisch aktiver Personenkreis aus dem damals noch existierenden Aschaffenburger Infoladen mit dem Thema „Bedingungsloses Grundeinkommen“ (kurz BGE). Dieser organisierte als Initiative „BGE Aschaffenburg“ die Veranstaltungsreihe „Leben statt funktionieren“.

Nach Abschluss der Reihe stellte sich für die Beteiligten die Frage, wie es weitergehen soll. Alle hatten Lust, weiter linksradikale Politik zu machen. Man wollte aber vermeiden, hauptsächlich im Dunstkreis einer jugendlich und subkulturell geprägten Szene aktiv zu sein und sich selbst auf Aktionsformen der autonomen Bewegung zu beschränken. Viele waren gefrustet von ihren bisherigen Erfahrungen in linksradikalen Gruppen. Ob revolutionär verpackte Verbalradikalität, unreflektierte Zurschaustellung eines militanten Habitus oder die unverbindliche Zusammenarbeit innerhalb unserer Zusammenhänge: Mit Kritik an der Szene, aber auch an der eigenen Praxis, wurde nicht gespart.

Man wollte sich lieber mit Fragen auseinandersetzen, wie man sich generationenübergreifend organisieren und linksradikale Positionen breiter in die Gesellschaft tragen und verankern könnte oder welche Möglichkeiten sich bieten, als Linke aus der Defensive, aus den  Abwehrkämpfen gegen den Verlust sozialer Errungenschaften, wieder in die Offensive zu kommen. Und ob die Forderung nach einem bedingungsloses Grundeinkommen (bzw. Existenzgeld) hierfür von Nutzen sein könnte.

2013 begannen als Reaktion auf die europäische Finanzkrise und die darauf folgende Austeritätspolitik die antikapitalistischen Blockupy Proteste in Frankfurt am Main. Von Beginnn an beteiligten sich Aktive der BGE Initiative, die später auch das lokale Blockupy-Bündnis ins Leben riefen.

Im Zuge der Blockupy Aktivitäten entstand auch das Bedürfnis, zukünftig nicht mehr ausschließlich zum Thema Grundeinkommen zu arbeiten, sondern sich inhaltlich breiter aufzustellen. Ein gesamtgesellschaftlicher Ansatz und eine Verschiebung des Schwerpunkts auf das Thema „Antikapitalismus“ wurde 2013 verabredet und in einem Selbstverständnis festgehalten sowie in der Broschüre „Das Ende vom Kapitalismus organisieren“ veröffentlicht. Der Gruppenname „BGE Aschaffenburg“ wurde zwar beibehalten, dass Kürzel BGE stand aber fortan für „BasisGruppe Emanzipation Aschaffenburg“.

Konsens in der Gruppe war, dass eine grundlegende Umwälzung der herrschenden Verhältnisse ein Überwinden des Kapitalismus und jeglicher Herrschaftsformen voraussetzt. Dies jedoch nicht durch elitäre Gruppen oder einer Partei im Parlament umzusetzen sei.
Emanzipation wurde als breiter gesellschaftlicher Prozess verstanden, der durch soziale und außerparlamentarische Bewegungen getragen werden müsse. Die radikale Linke sollte ein wirkmächtiger Teil dieser Bewegungen sein, wozu überregionale Organisierung als nötig erachtet wurde.

Eman­zi­pa­to­ri­sche Ver­än­de­rung fällt nicht vom Him­mel, son­dern muss er­kämpft wer­den – und dafür be­nö­tigt es einen lan­gen Atem. Die für Be­frei­ung not­wen­di­ge ge­sell­schaft­li­che Ge­gen­macht be­nö­tigt, neben spon­ta­nen so­zia­len Kämp­fen und Be­we­gun­gen, eben auch lang­fris­ti­ge und kon­ti­nu­ier­li­che Or­ga­ni­sie­rung. Die Ba­sis­Grup­pe Eman­zi­pa­ti­on ist unser Ver­such damit im Klei­nen zu be­gin­nen. (BGE Selbstverständnis von 2013)

Avanti Grundsatzpapier 2004

Neben zahlreichen durchgeführten Veranstaltungen (Archiv seit 2013) und Aktionen zu verschiedenen Themenbereichen, beschäftige sich die Gruppe immer wieder mit der Frage nach undogmatischer Organisierung und den entsprechenden Debatten in der Linksradikalen. Für die weitere Ausrichtung hatte das umfangreiche Selbstverständnis der in Norddeutschland aktiven Organisation „Avanti“ und ihr Papier zur Organisationsfrage große Bedeutung und war für uns richtungsweisend.

Etwa zur selben Zeit fand innerhalb der seit 2005 bestehenden bundesweiten Vernetzung Interventionistische Linke eine Organisierungsdebatte statt. Ende 2014 veröffentlichte die IL das sogenannte Zwischenstandspapier. In diesem wurden nicht nur politische Standpunkte festgehalten, sondern auch die Einladung an andere Gruppen ausgesprochen, Teil der IL zu werden.

Nach interner Diskussion und der Erfahrung in der praktischen Zusammenarbeit mit der IL im Rahmen von Blockupy entschlossen wir uns im Sommer 2015 Teil der bundesweiten Organisierung zu werden. Im Oktober 2015 veröffentlichten wir die Erklärung time to organize und treten seit dem als Interventionistische Linke Aschaffenburg in Erscheinung.

Was wir heute – neben 361° – noch so alles tun, kannst du hier nachlesen. Und wenn du mehr über uns wissen willst, nimm doch einfach Kontakt zu uns auf.

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Angetrieben und zusammengehalten wird das Projekt der Interventionistischen Linken jedoch von einer gemeinsamen strategischen Verabredung, die im namensgebenden Begriff der Intervention deutlich wird: Wir wollen eine radikale Linke, die selbstbewusst und sprechfähig in politische Kämpfe eingreift und fähig ist, auch außerhalb ihrer Subkulturen, Kieze und Freiräume zu agieren. Wir wollen eine radikale Linke, die aktiv gegen Patriarchat, Rassismus und Kapitalismus insgesamt kämpft, die dabei immer wieder neue Allianzen sucht, die Brüche vertieft und Chancen ergreift, die lieber Fehler macht und aus ihnen lernt, anstatt sich im Zynismus der reinen Kritik zu verlieren. Wir wollen eine radikale Linke, die auf den revolutionären Bruch mit dem nationalen und dem globalen Kapitalismus, mit der Macht des bürgerlichen Staates und allen Formen von Unterdrückung, Entrechtung und Diskriminierung orientiert. Kurz: Wir wollen eine neue, radikale gesellschaftliche Linke, die um politische Hegemonie ringt und Gegenmacht organisiert. (Zwischenstandspapier der IL)

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