Kein Bock auf AfD im Stadtrat

Kundgebung „Nazis raus aus dem Stadtrat“

Der Protest gegen die AfD reißt in Aschaffenburg nicht ab. Nachdem zuletzt am 20. Februar über 300 Menschen  anlässlich der rassistischen Morde in Hanau und gegen eine AfD-Wahlveranstaltung in der Stadthalle protestieren, ging es am Montag wieder auf die Straße.

„Verfickte Arschlöcher“ – damit beschrieb eine Rednerin der Kundgebung wohl genau das, was die meisten KundgebungsteilnehmerInnen über die beiden AfD PolitikerInnen dachten, die am vergangenen Montag im Aschaffenburger Stadtrat vereidigt wurden. Gegen die von ihm empfundene Charakterisierung als Nazi durch das Kundgebungsmotto wollte Falko Keller laut Eigenbekunden gerichtlich vorgehen, bevor ihm dann die Rechtsgrundlage abhanden kam. Die Bezeichnung als FaschistInnen tut es bei der AfD aber auch, ist im Ganzen inhaltlich sicher treffender und legal.

Nun sitzen mit Falko Keller und Ramona Storm also erstmals zwei VertreterInnen der AfD im Aschaffenburger Stadtrat. Um das nicht unkommentiert stehen zu lassen, hat der Stern e. V. am Montagabend eine Kundgebung unter dem Motto „Nazis raus aus dem Stadtrat“ vor der Stadthalle angemeldet, in die der neue Stadtrat coronabedingt ausgewichen war. Genau wie für die Fahrraddemo und Kundgebung der Kommunale Initative am 1. Mai galten auch hier aufgrund der Pandemie besondere Auflagen. TeilnehmerInnenbeschränkung und -listen sowie Abstandsregelungen gehören zu den Maßnahmen, die einen komischen Beigeschmack hinterlassen, die Vermummungspflicht mit Schutzmasken ist da doch weit weniger problematisch.

Rund 40 TeilnehmerInnen waren auf dem Schlossplatz zusammengekommen, um ihren Unmut gegenüber der neu im Stadtrat vertretenen Partei aufzuzeigen. Das machten auch die Redebeiträge deutlich. Dabei verwies die Rednerin des Sterns auf die Gefahren, die mit dem Einzug immer mehr AfD-PolitikerInnen in die Parlamente einhergehen. In einem spontanen Redebeitrag hob ein Kundgebungsteilnehmer noch einmal hervor, dass auch wenn es ihm verboten sei Keller mit einem Nazi zu vergleichen – was er natürlich auch nicht tun würde – könne er immer noch sagen, Keller gehöre einer faschistischen Partei an. Und daran erinnern kann man eigentlich nicht oft genug. Emotional war der Beitrag einer Rednerin des Sterns, die sehr persönlich von ihrem Migrationshintergrund sprach, davon, mit welchen Beleidigungen sie aufgrund dessen konfrontiert wurde und wie schwer es für sie nun zu ertragen sei, wenn die AfD mit ihrer ausländerfeindlichen Politik und Sprache immer mehr WählerInnen für sich gewinnen kann. Ein Redebeitrag der Freien Fränkischen Antifa thematisierte die sogenannten „Corona-Rebellen“, die mit ihren kruden Verschwörungstheorien auch in Aschaffenburg immer mehr Zuwachs bekommen. Die Seebrücke Aschaffenburg verwies darauf, wie stark die rassistische Hetze der AfD Einfluss auf Entscheidungen in der Flüchtlingspolitik genommen habe und appellierte an den Stadtrat, dass die Erklärung Aschaffenburgs zum Sicheren Hafen, die vor genau einem Jahr erfolgte, nicht länger nur ein theoretisches Bekenntnis bleiben dürfe, sondern endlich – mit Blick auf die katastrophale Situation für die Menschen in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln – auch praktische Folgen haben müsse.

Zu einem kurzen Zwischenfall kam es, als ein mit einer Deutschlandfahne maskierter Mann, nachdem er sein Vorhaben wohl bei der Polizei angekündigt hatte, mit einer Israelfahne in den Händen an der Kundgebung vorbei rannte, seine Sympathie für die AfD bekundete und dann ziemlich schnell das Weite suchte.

Jetzt sitzt also die AfD mit zwei VertreterInnen auch im Aschaffenburger Stadtrat. Ob es ausreicht, zu hoffen, dass sich die StadträtInnen, die Forderung der Seebrücke Aschaffenburg zu Herzen nehmen, sich klar gegen die rassistische Politik der AfD zu positionieren und eine Zusammenarbeit generell auszuschließen … vermutlich nicht.

Anbei noch der Redebeitrag der „Freie Fränkische Antifa„, einer neuen Antifagruppe aus der Region:

Als wir uns als Reaktion auf den Spaziergang der so genannten Corona Rebellen mit einem Schild für die Evakuierung von Geflüchteten aus griechischen Flüchtlingslagern & einem antifaschistischen Transparent hier auf den Marktplatz stellten, hatten wir mit vielem gerechnet. Mit Menschen, die eine Grippe für schlimmer als Corona halten, mit Personen, die die Ausgangsbeschränkungen einfach kacke finden, schlimmstenfalls vielleicht auch mit Impfgegnern.

Aber unter dem Deckmantel der Besorgnis über Grundrechtseinschränkungen marschierten diese selbsternannten Rebellen vorgestern beispielsweise seelenruhig Seit‘ an Seit‘ mit Thor Steinar Jacken. Gestern kamen wir dann sogar in einem youtube Video des Veranstalters zu Wort, der sich – weshalb auch immer – von unserem Antifaschismus angegriffen fühlte. Bevor er jedoch zu uns kam, informierte er sich erst einmal ausgiebig bei einem seiner Demofreunde, welcher „die Antifa“ als Linksextreme betitelte.

Als der Veranstalter uns dann mehrfach versicherte, dass seine Veranstaltung keinerlei Bezug zur AfD oder anderen Rechten hätte, konfrontierte ich ihn damit, dass besagter Demofreund einen großen Judenstern umhängen hatte. Eine Relativierung des nationalsozialistischen Regimes schien er darin nicht zu erkennen, suchte aber fast schon ein wenig in Eile das Weite, während er sich über das „nationalsozialistisch“ amüsierte. Auch das hat er für uns in seinem youtube Video dokumentiert.

Den ersten Eindruck, den eine „Deutschland ist keine Demokratie“ Debatte dann noch untermauerte, nämlich der, dass diese Bewegung mindestens mal rechtsoffen ist, verschlimmerte ein Blick in ihre öffentliche Telegram-Gruppe, deren künstlerische Unterhaltung übrigens wenig überraschend aus Musik von Xavier Naidoo und Frei.Wild besteht, aber das nur mal am Rande.

Grundkonsens scheint dort zu sein, dass Corona Teil einer weltweiten Verschwörung ist. Man ist sich nur nicht einig, ob es eine jüdische, eine bolschewistische oder eine jüdisch-bolschewistische Verschwörung ist.

Manche sehen Bill Gates dahinter, andere die Bilderberger und wieder andere halten es für einen Teil des Bevölkerungsaustausches, der mit Merkels Asylpolitik durchgesetzt werden soll.

Die Systempresse lügt, die BRD ist eine GmbH & Reichsbürger gilt dort als Synonym für aufgewacht. Weiterhin erfreut sich Martin Sellner, der Sprecher der Identitären Bewegung Österreich, welche schon lange als rechtsextrem eingestuft wird, einiger Beliebtheit.

Wem Antisemitismus & Verschwörungstheorien noch nicht abstoßend genug sind, für den hat die Telegram-Gruppe jüngst letzte Nacht noch einiges an Rassismus vorgelegt. Von mehr oder weniger subtil, wie „Ich sehe einen Zusammenhang zwischen Einwanderung und den jetzigen Problemen“ bis hin zu stumpfen Parolen wie „die scheiß Chinesen haben uns Corona gebracht“ und „ich hasse Muselmänner“, war alles dabei.

Laut eines Admins sollten solche Positionen übrigens lieber im Privatchat geklärt werden, um die Bewegung nicht in ein rechtes Licht zu rücken. Ich denke, deutlicher können die Betreiber dieser Gruppe ihre Gleichgültigkeit gegenüber rechtsextremen Gedankengut innerhalb ihrer Reihen nicht machen.

Zugegeben, es ist schwer Rechte auszuschließen, wenn die Inhaberin der Gruppe selbst bei der Äußerung „Schwarz-Weiß-Rot. DAS ist unsere Flagge.“ antwortet, dass „das Schaf noch nicht so weit“ ist und man sich das für später aufheben solle.

Ebenfalls ein großer Fan des Deutschen Reiches ist ein anderes aktives Mitglied der Gruppe, dessen Kürzel 18 88 beinhaltet und lange die Reichsflagge als Profilbild trug. Für alle, die in rechter Codierung weniger bewandert sind: 18 steht für die Buchstaben AH, also Adolf Hitler. 88 für HH, also Heil Hitler.

Nach all dem überrascht es daher nicht weiter, dass sich dort Menschen wiederfinden, die Merkel als „Judenhandlangerin“ bezeichnen, Pegida als ihre Freunde sehen und das einzige, was als Einwand zu, ich zitiere & dieses Zitat ist nicht für sensible Personen oder Kinderohren bestimmt, also hört bitte weg, „Bill Gates gehört vergast“ eingebracht wird, ist, dass das doch zu schnell ginge und man ihn lieber nach Guantanamo packen sollte.

Ich denke, ich muss nicht mehr allzu viele Worte über diese „Corona Rebellen“ verlieren. Eine Bewegung, die die Corona-Maßnahmen mit dem Nationalsozialismus und der Sklaverei vergleicht und nur so vor antisemitischen Verschwörungstheorien & Rassismus trieft, hat sich meiner Meinung nach ein deutliches Zeichen der Gegenwehr verdient. Denn unsere Region steht auf gegen Rassismus.

Vielen Dank.

 

Das könnte dich auch interessieren …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert