Inside AfD: Gott, Familie, Vaterland – und Stahlhelm

Am 02.05.2019 hielt der AfD Kreisverband Aschaffenburg in der Stadthalle eine öffentlich beworbene Wahlkampfveranstaltung zur Europa-Wahl mit angekündigtem Gastredner Martin Hohmann ab. Wir haben da mal genauer hingeschaut.

Eine überschaubare Anzahl Besucher*innen waren gekommen – es fanden zwar auffällig genaue Kontrollen im Eingangsbereich statt, es war aber von außen für vorbeiflanierendes, potentiell spontan teilnehmendes „Last-Minute-Publikum“ in keinster Weise ersichtlich, dass es sich hier um eine AfD Veranstaltung handelt. So gab es keine Plakate im Eingangsbereich und auch keine Hinweis-Schilder am Eingang. Gezieltes Einladen von Neu-Wähler*innen im Außenbereich, z.B. auf dem parallel stattfindenden Fischmarkt scheint nicht Sache des AfD–Wahlkampfteams zu sein.

So waren dann auch im Inneren der Stadthalle die Stuhlreihen nur mäßig gefüllt – bekannte Mitglieder*innen des KV-Aschaffenburg und augenscheinlich bereits AfD-verbandeltes Publikum. Man kannte sich, Gespräche wurden trotzdem im Vorfeld kaum miteinander geführt – vielmehr wurde schweigend der Dinge geharrt, die da kommen mögen. Möglicherweise war dies aber auch dem Umstand geschuldet, dass das anwesende Publikum sich vorrangig aus Männern älteren Jahrgangs zusammensetzte. Frauen waren kaum anwesend, AfD-nahe Menschen unter 40 gar nicht. Bürgerliche Wohlstands-Mitte im Großen und Ganzen. Auch im Laufe der Veranstaltung wurde das sympathisierende Publikum kaum reger – mehr als stumpfes Applaudieren nach Schlagworten wie „Meinungsdiktat durch die EU“, „Gender-Wahnsinn“, „Relotius-Presse“ oder plumpes Verhöhnen von Greta Thunberg und Kevin Kühnert war nicht drin.

Die vielen Leerstellen in den Stuhlreihen füllten sich weder nach gegebener Kulanzzeit (gegen 19:10 begann die Veranstaltung nicht ganz pünktlich) noch im Laufe des Abends. Anhand dieser Beobachtung kann durchaus die Anziehungskraft des prominenten Zugpferdes des Abends, Martin Hohmann, in Frage gestellt werden.

Klaus-Uwe Junker, Vorsitzender des KV Aschaffenburg übernahm eine moderierende Rolle und bemühte sich die gesamte Veranstaltung über „demokratische Werte, offene Diskussionen“ und allgemeine Höflichkeits- und Umgangsformen zu wahren – diese ehrenwerte Absicht wurde ihm von seinen Parteikameraden nicht gedankt. Des Öfteren wurde er nahezu niedergebrüllt und machte zwischenzeitlich einen eher verzweifelten, latent überforderten Eindruck. Er bemühte sich um einen zivilen Ablauf der Veranstaltung – der Mann scheint mit dieser Haltung allerdings in seinem Kreisverband etwas isoliert zu sein. Inhaltlich bestand seine Eröffnungsrede aus Zitaten aus dem EU-Wahlprogramm der AfD sowie Hinweisen auf Getränkeverkauf und Lokalisation der Toiletten in der Aschaffenburger Stadthalle.

Die 1.Rednerin des Abends, Sylvia Limmer aus Bayreuth, AfD-Listenplatz 9, fiel hauptsächlich durch dreiste Diffamierungen der Klimabewegung auf. Weiterhin war das „EU-Diktatur“-Geschwafel z.T. extrem kleinteilig und ermüdend – das Publikum kämpfte mit zufallenden Augen, immer wieder hochgeschreckt durch aufpeitschend mit lauter Stimme vorgebrachten Signalausrufen wie: „Ausbeutung des deutschen Bürgers durch EU-Maßnahmen in Gemeinschaft mit der EZB“, „Was man in Deutschland nicht sagen darf …“, sowie dem üblichen ethnopluralistischem und Identitäts-Gewäsch.

Als angekündigter Höhepunkt des Abends betrat Martin Hohmann die Bühne, der seine Darbietung mit einem überaus selbstgefälligen Exkurs bezüglich seines Parteiausschlusses begann. Gefolgt von seltsam anmutender Kriegsrhetorik, ausgeschmückt mit Anekdoten aus seiner Bundeswehrzeit in den 1960er Jahren und unverhohlener Freude über seinen kürzlich erfolgten Besuch bei in Afghanistan stationierten deutschen Truppen. Bezeichnend für seinen kriegsverherrlichenden Militarismus war die begeisterte Schilderung eines Fluges in einem Militär-Hubschrauber neben bewaffneten MG-Schützen – mit einem echten Stahlhelm auf seinem Kopf.

Es folgten noch ausführliche und zum Teil schlichtweg nicht nachvollziehbare, krude Behauptungen zum, Herrn Hohmann offensichtlich einschüchternden, „Gender-Wahnsinn“. Genüsslich breitete Hohmann in einer sehr bildhaften Sprache die vermeintliche Sexualisierung von Kindern durch moderne Erziehung vor seinem Publikum aus. Einer der widerlichsten Momente der ganzen Veranstaltung.

Abschließend führte er sein Publikum wieder auf bewährtes Terrain und rückte die Welt mit Betonung traditioneller christlicher Werte und (heiliger) Familie für seine Hörer wieder gerade. Assoziationen zum Aschaffenburger CSU-Politiker Norbert Geis drängten sich unweigerlich auf. In Hohmanns unfassbar regressiver und konservativer Rhetorik fanden sich inhaltlich kaum Bezüge zu EU, Wahlkampf oder der AfD im Allgemeinen. Vielmehr drängte sich der Eindruck auf, einem Mann zuzuhören, der vor allem sich selbst mit Vorliebe reden hört.

Der Applaus und sonstige Reaktionen fielen insgesamt weniger stürmisch als erwartet aus. Ob es an der fortgeschrittenen Uhrzeit oder an der nicht mehr ganz so juvenilen Aufmerksamkeitsspanne des Publikums lag, sei dahin gestellt.

Noch aufmerksam und alert waren dagegen definitiv einige Veranstaltungsbesucher*innen, die im Laufe des Abends immer wieder als „die Jugend“ angesprochen wurden. Zielstrebig steuerten sie sowohl nach Redebeitrag 1 als auch nach Redebeitrag 2 das offene Mikrophon an, um argumentativ gut untermauert dem soeben verzapften Unsinn der AfD-Redner zu widersprechen. Dabei deckten die 6 „jungen Leute“ geschickt alle relevanten Themen ab (Klima / Ökologie, Eigentumsverhältnisse / Ökonomie, Homophobie / Sexismus, Militarismus) ab. Mit klaren Worten und auch einem „gelebten Statement“ der Solidarität (in Form eines ausgiebigen Zungenkusses zwischen zwei Männern, welcher für offensichtliche Verwirrung im Saal sorgte) wurden viel beachtete Kontrapunkte gesetzt.

Sylvia Limmer und, etwas verhaltener, auch Martin Hohmann stellten sich mehr oder weniger der Diskussion (wobei inhaltlich Beide sich nicht mit Ruhm bekleckerten), nachdem Junker das etwas ungehaltene Publikum an die propagierte Offenheit der Veranstaltung und die allgemeine Meinungsfreiheit erinnert hatte. An dieser Stelle stellte sich erneut die Frage: Was tut dieser Mann, mit seinen hehren demokratischen Idealen, in solch einer Partei?

Schnell leerten sich dann allerdings die lichten Reihen, vom AfD Publikum kamen überhaupt keine Fragen und Redebeiträge, die Veranstaltung wurde in diesen Momenten durch das kritisch begleitende Publikum am Mikrophon übernommen. Als die ganze Chose offiziell von der AfD als beendet erklärt wurde, war vom „interessierten Publikum“ nahezu niemand mehr übrig.

Sollte die Veranstaltung dem Anwerben neuer Mitglieder*innen und Wähler*innen der AfD dienen, ist sie wohl gescheitert. Der AfD KV Aschaffenburg lieferte eine schwache Performance in der Stadthalle.

Angesichts des Erfolgs der Kundgebung auf dem Schloßplatz unter dem Motto „Gegen den Rechtsruck – Gegen jeden Antisemitismus“ und der inhaltlichen Bloßstellung der AfD auf ihrer eigenen Veranstaltung, kann von einem erfolgreichen Aktionstag Aschaffenburger Antifaschist*innen gegen die AfD gesprochen werden.

Am kommenden Wochenende (Samstag und Sonntag) will die AfD Aschaffenburg übrigens mit Infoständen in der Aschaffenburger Fußgängerzone für Interessierte ansprechbar sein. Wer sich hier selbst ein Bild machen will …

*Das Artikelbild stammt aus dem Film „Apocalypse Now Redux“ und zeigt die Szene des „Walkürenritts“

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