Trotz alledem: Kämpfen statt Kotzen!

Mit den aktuellen Bildern von Moria und Polizeigewalt, den Waldbränden in Kalifornien und den selbsternannten Corona-Rebellen im Kopf, inmitten der Ödnis stumpfer Lohnarbeit, entstand dieser Kommentar eines 361°-Redaktionsmitglied.


Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren: Es ist die Zeit der Monster.

Mit dieser plastischen Formulierung beschrieb der Philosoph Slavoj Zízek gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklungen. Er bezog sich damit auf ein Zitat des italienischen Kommunisten Antonio Gramsci der bereits um 1930 in seinen Gefängnisheften schrieb:

Die Krise besteht gerade in der Tatsache, dass das Alte stirbt und das Neue nicht zur Welt kommen kann: in diesem Interregnum kommt es zu den unterschiedlichsten Krankheitserscheinungen.

Um in dieser Bildsprache zu bleiben, lässt sich tatsächlich festhalten, dass wir in einem Zeitalter der Monster und Krankheitserscheinungen leben.

Der fortschreitende Klimawandel als ganz real existenzbedrohende Gefahr, die nach wie vor hohe Anzahl kriegerischer Konflikte, ein allerorten wahrnehmbarer Aufstieg rechter Kräfte, verrücktes bis brutales und unberechenbares politisches Personal, die Ausbreitung religiös fundamentalistischer Ideologien und irrationaler Verschwörungstheorien, eine zunehmende soziale Spaltung, Migrationsbewegungen die aus kapitalistischer Plünderung und Zerstörung resultieren, während gleichzeitig dieses mörderische System ideologisch und materiell felsenfest im Sattel zu sitzen scheint.

Dazu keine Aussicht auf eine gesellschaftliche Kraft, die dem ganzen Irrsinn ein Ende bereitet, weil sie eine Idee davon hat, wie die neue Welt sein und geboren werden könnte.

Und das alles vor dem Hintergrund eines grassierenden Virus, dessen gesundheitliche, ökonomische und soziale Folgen noch nicht absehbar sind und der den gegenwärtigen Zustand in einen dystopischen Rahmen einbettet.

Mann kann nicht so viel fressen wie man kotzen möchte unter Anbetracht des allgegenwärtigen Elends und der multiplen Krise einer sterbenden Welt.

Doch, um noch einmal auf genannten Antonio Gramsci zurückzukommen, ein weiteres Zitat:

„Man muss nüchterne, geduldige Menschen schaffen, die nicht verzweifeln angesichts der schlimmsten Schrecken und sich nicht an jeder Dummheit begeistern. Pessimismus des Verstandes, Optimismus des Willens.“

Nein, es geht hier nicht um Durchhalteparolen oder Beschönigungen. Denn: Gramsci hatte recht.

Was bleibt uns als politische Individuen, die von der Notwendigkeit grundlegender Veränderungen aus tiefstem Herzen überzeugt sind auch sonst für eine andere Wahl? Resignieren? Sich in der elenden Konsumgesellschaft bestmöglich einrichten und mit den mörderischen Verhältnissen Frieden schließen?

Dann noch lieber dem Optimismus des Willens folgen. Im Wissen um die eigene Ohnmacht und die gesellschaftliche Marginalität, aber mit dem Willen daraus zu entfliehen. Und das immer im Bewusstsein, dass bloßer „Willen“ dafür nicht ausreicht, sondern es die Einmischung in Konflikte benötigt, um Bewegungen in Richtung einer „neuer Welt“ zu erzeugen.

Zweckoptimismus also, um die Falle des Voluntarismus zu umgehen und jedem Determinismus eine Absage zu erteilen.

Oder in den prägnanten Worten des durchaus streitbaren Joachim Bruhn gesprochen: „Die Revolution ist notwendig, also ist sie möglich“.

Trotziger Zweckoptimismus kann ein gutes Rezept  sein um die Hoffnung in Zeiten der Monster nicht zu verlieren und Haltung zu bewahren.

Also (weiter)kämpfen statt kotzen. Trotz alledem.

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