Rede zum Thema Asylrechtsänderungen auf der Kundgebung am 06.05.19

Rede von Solidarity City Aschaffenburg während der Kundgebung „Aschaffenburg zum sicheren Hafen“ am 06.05.2019


 

Steigende Zahlen von Geflüchteten in Deutschland sorgen seit 2015 bis heute für massive Asylrechtsverschärfungen.

Zwar schreiben faschistische AFDler*innen, CSU-Rechtsaußen, aber auch beinahe die kompletten bürgerlichen Medien der Regierung Merkel eine liberale Flüchtlingspolitik zu; aber das Gegenteil ist der Fall.

Unter Bundeskanzlerin Merkel wurden und werden in der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD eine Vielzahl von Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht, die allein dem Zweck dienen Flüchtlinge durch drastische Entrechtung abzuschrecken. Einige dieser Verschärfungen wurden im Bundesrat übrigens auch mit Stimmen Grün regierter Länder durchgewunken.

Alle diese Gesetzesänderungen haben laut „Pro Asyl“ Folgen für alle Lebensbereiche der Geflüchteten: Für die Asylverfahren, die Unterbringungspraxis, die Integrationschancen, die soziale und medizinische Versorgung, die Verhängung von Abschiebehaft, die Durchführung von Abschiebungen – und nicht zuletzt auch für das gesellschaftliche Klima.

Denn Asylrechtsverschärfungen stigmatisieren Schutzsuchende und senden vor allem das Signal aus, dass Flüchtende eine Bedrohung sind, die es abzuwehren gelte. Damit wird dem weit verbreitetem Rassismus nicht entgegengetreten, sondern im Gegenteil Auftrieb verschafft.

Im Folgenden sollen die bisher erfolgten und derzeit geplanten Verschärfungen kurz umrissen werden:

In den Jahren 2015 und 2016 wurde durch die Asylrechtspakete I und II die Liste der angeblich sicheren Herkunftsländer erweitert und damit vielen Menschen eine Bleibeperspektive in Deutschland verstellt.

Durch die Aufnahme von Balkanstaaten in die Liste angeblich sicherer Herkunftsstaaten waren hier vor allem auch Sinti und Roma betroffen – zwei Bevölkerungsgruppen, die am stärksten der Verfolgung und Vernichtung im Nationalsozialismus ausgesetzt waren.

Weitere Verschärfungen waren Leistungskürzungen, Wohnsitzauflagen, Verschärfungen der Residenzpflicht. Die Abschiebungen kranker Menschen wurde erleichtert, das Recht auf Familiennachzug beschnitten.

Aber auch nach Afghanistan wird seitdem mehr und mehr abgeschoben, was für einige Geflüchtete einem Todesurteil gleichkommt.

Der mit 2016 beschlossene EU-Türkei Flüchtlings-Deal hat dafür gesorgt, dass bis heute tausende von Flüchtenden v.a. auf griechischen Inseln unter menschenunwürdigsten Bedingungen in Elendslagern festsitzen.

In Bayern wurden 2015 erste sogenannte Ankunfts- Und Rückführungseinrichtungen geschaffen, in denen Geflüchtete mit angeblich geringer Bleiberechtsperspektive einkaserniert wurden.

Diese Lager, die in Anker-Zentren umbenannt wurden, gibt es inzwischen in jedem bayerischen Regierungsbezirk. Dort werden alle Geflüchteten untergebracht, bei denen eine Anerkennungsquote von unter 50% besteht, aber auch jene Menschen, die aus Herkunftsländern kommen, aus denen eine sogenannte „relevante Masse“ flüchtet.

In diesen Anker-Lagern sollen Asylanträge in Schnellverfahren bearbeitet werden. Bewohner*innen werden isoliert, haben kaum Zugang zu Sozial- oder Rechtsberatung und sind schutzlos der Behördenwillkür ausgeliefert.

Die Lebensbedingungen sind miserabel: Gewalttätige Übergriffe von Seiten des Sicherheitspersonals sind keine Seltenheit. Und da Unterkünfte für Geflüchtete seit Änderung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) dort als gefährliche Orte definiert werden, darf die Polizei rund um die Uhr ohne jedweden konkreten Verdacht auf Straftaten Räume und Menschen durchsuchen. Mehrere brutale Polizei-Einsätze gegen Geflüchtete in Anker-Zentren in jüngster Vergangenheit zeigen klar, dass in Bayern der „Polizeistaat“ für Geflüchtete längst Realität ist.

Bundesinnenminister Seehofer möchte übrigens sowohl das bayerische Polizeiaufgabengesetz, als auch die bayerischen Anker-Zentren zum budesweiten Standard machen.

In einer Pressemitteilung vom Januar diesen Jahres stellt der Bayerische Flüchtlingsrat fest, dass die bayerische Abschiebepolitik immer brutaler von statten geht.

Mehr und mehr gäbe es gewaltsame Abschiebeversuche, die auch vor schwangeren und schwerkranken Menschen nicht haltmache, es käme zudem zu immer mehr unrechtmässigen Inhaftierungen und Familientrennungen.

Seit der Innenministerkonferenz im August 2018 wurde auch die Möglichkeiten auf Kirchenasyl massiv eingeschränkt.

Das BAMF stuft seitdem Geflüchtete, die sich im Kirchenasyl befinden grundsätzlich als „Flüchtig“ ein, was zur Folge hat, dass schutzbedürftige Menschen nun 18 statt wie zuvor maximal 6 Monate im Kirchenasyl ausharren müssten. Das kann und will kaum mehr eine Kirchengemeinde stemmen, zumal Ermittlungsverfahren und Hausdurchsuchungen gegen Pfarrer zunehmen.

Infolge dessen ging die Zahl der Kirchenasyle von 716 Anfang 2017 auf 341 Anfang 2018 zurück.

Europäische Ebene

Auf europäischer Ebene sollen Flüchtlingszahlen durch Abschottung und/oder Sterben-Lassen reduziert werden.

Praktiziert wird dies u.a. durch Deals mit Folterregimen in Libyen und Nordafrika, Stacheldrahtzäune um die Balkanstaaten, die Kriminalisierung der privaten Seenotrettung, sowie die de facto Einstellung der staatlichen Seenotrettung.

Zudem haben sich EU-Parlament, -Kommission und -Staaten darauf geeinigt die europäische Grenzschutz-Agentur Frontex in den nächsten Jahren massiv personell und finanziell aufzurüsten.

Die neue Hauptaufgabe von Frontex soll hierbei eine deutliche Steigerung der Abschiebzahlen sein. Dafür soll Frontex sogar Abschiebungsentscheidungen vornehmen dürfen, aber bei Drittstaaten für Rückkehrmaßnahmen mandatierbar sein. Einsätze in diesen Drittstaaten, die wohl hauptsächlich in Nordafrika stattfinden würden, fänden dann völlig ohne demokratische Kontrolle oder gar wirksame Rechtsbehelfe für Flüchtende statt.

Deutsche Ebene

In Deutschland hat das Bundeskabinett am 17.04.2019 mit gleich zwei Gesetzen die Entrechtung geflüchteter Menschen vorangetrieben:

Einerseits mit der Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes, das durch ein absurdes Konstrukt Leistungskürzungen vorsieht.

Eigentlich steht für Asylbewerber*innen seit 2016 eine verfassungsrechtlich vorgeschriebene Leistungserhöhung aus.

Aber diese Erhöhung soll anscheinend nun durch die gleichzeitigen Kürzungen ausgeglichen werden.

Die Kürzungen werden damit rechtfertigt, dass alleinstehende Erwachsene, die in einer Sammelunterkunft leben, als „Schicksalsgemeinschaft“ zu verstehen sind, da sie ja wie zusammenlebende Partner*innen haushalten würden.

Diese „Schicksalgemeinschafts“-Konstruktion widerspricht jeder Lebenserfahrung. Die Menschen in den Unterkünften sind schließlich unterschiedlichster Herkunft und werden aus unterschiedlichen Situationen, einschließlich unterschiedlicher Verfahrensstadien zusammengebracht.

Während diese beschlossenen Kürzungen im Asylbewerberleistungsgesetz noch durch den Bundesrat müssen, wurden andere skandalöse Kürzungen im sogenannten „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ geregelt, welche nicht mehr im Bundesrat bestätigt werden muss.

Hier sollen nun Flüchtlingen, die in sich in Deutschland befinden, aber in einem anderen EU Staat zuvor als Flüchtlinge anerkannt worden sind, komplett alle Leistungen gestrichen werden.

Die Rückkehr in Staaten wie Italien, Griechenland oder Bulgarien -Länder in denen anerkannte Flüchtlinge oft unter miesesten Bedingungen leben müssen – soll also hierzulande mit Hunger und Obdachlosigkeit durchgesetzt werden.

Das Geordnete Rückkehr-Gesetz wartet aber neben den Leistungsstreichungen auch noch mit einer ganzen Mengen anderer drastischer Verschärfungen auf:

Abschiebehaft

So soll die Abschiebhaft masiv ausgebaut werden.

Abschiebehaft ist ja an sich schon skandälös, da hier Menschen die Freiheit entzogen wird, ohne dass sie auch nur Verdacht stehen, eine Straftat begangen zu haben.

Die Vorrausetzungen für eine Anwendung der Abschiebhaft wurden nun aktuell stark abgesenkt:

Als eine dieser Voraussetzungen gilt die „Fluchtgefahr“

Den betroffenen Menschen kann nun schlicht und einfach unterstellt werden, daß bei Ihnen Fluchtgefahr besteht.

Nicht die Behörden müssen beweisen, daß Fluchtgefahr besteht, sondern die Betroffenen müssen dann aus der Haft heraus – ohne dass sie einen Anwalt oder Anwältin gestellt bekämen – beweisen, dass keine Fluchtgefahr besteht.

Außerdem sollen schon fast banale Aspekte als Indiz für Fluchtgefahr gelten:

z.B., daß die Person an jemanden Geld bezahlt hat, um nach Deutschland zu kommen – was wohl auf beinahe alle hierher geflüchteten Menschen zutrifft.

Oder dass die betroffene Person vor längerer Zeit mal falsche Angaben gegenüber Behörden gemacht hat – selbst wenn diese inzwischen korrigiert sind.

Duldung Light

Eine weiter drastische Verschärfung im “Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ ist die Schaffung einer neuen , prekären „Duldung light“:

Hier sollen Menschen mit „ungeklärter Identität“ pauschal mit Arbeitsverbot und Wohnsitzauflage belegt werden.

Beide Sanktionen waren allerdings durch das bisherige Aufenthaltsrecht schon möglich, was die Frage nach dem Sinn dieser Neu-Regelung aufwirft.

Allerdings ist neu, daß die Zeit in dieser „Duldung Light“ nicht als Vorduldungszeit für Bleiberechtsregelungen gilt. Dies könnte nach Einschätzungen von „Pro Asyl“ vor allem minderjährigen Flüchtlingen trotz guter Integration den Weg in ein Bleiberecht verbauen, da sie 4 Jahre vor dem 21. Geburtstag geduldet sein müssen.

Verlängerung Widerrufsverfahren

Eine weiter Verschärfung besteht darin, daß das BAMF für Widerrufs- und Rücknahmeverfahren von im Zeitraum von 2015 bis 2017 anerkannten Flüchtlingen nun fünf statt wie bisher drei Jahre Zeit hat:

Das bedeutet: ändert sich in 5 Jahren im Herkunftsland die Situation erheblich, kann die Anerkennung auch noch bis zu fünf Jahre später widerrufen werden.

Das betrifft v.a. Geflüchtete aus Syrien, Irak und Eritrea, die nun in jahrelanger Unsicherheit bezüglich ihrer Bleibeperspektive leben müssen.

Kriminalisierung Zivilgesellschaft

Auch zivilgesellschaftliche Organisationen und Aktivist*innen werden durch das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ bedroht.

Informationen zum Ablauf einer Abschiebung werden nun als „Geheimnisse“ im strafrechtlichen Sinne eingestuft. Wer diese Geheimnisse verrät macht sich strafbar. Es drohen dabei bis zu 5 Jahre Haft. Auch die Beihilfe ist strafbar.

JournalistInnen sind von dieser Regelung zwar ausgenommen, aber jede/r ehrenamtliche Flüchtlingshelfer*in darf damit keine relevanten Infos mehr um eine Abschiebung weitergeben und sei es nur, um einen Anwalt zu informieren.

Dadurch werden nicht nur Flüchtlingsorganisationen kriminalisiert, sondern auch der bei Abschiebungen dringen nötige Rechtsschutz ausgehebelt!

Zwar versuchen Organisationen wie „Pro Asyl“ oder Flüchtlingsräte immer wieder auf all diese unmenschlichen Verschärfungen aufmerksam zu machen.

Aber das öffentliche Echo darauf ist nur gering. Und Widerstand dagegen scheint es nur vereinzelt und im kleinen Ortsradius zu geben.

Zudem werden jagt eine Gesetzesverschärfung gegenüber Geflüchteten die nächste, so dass selbst Menschen , die sich mit asylrechtlichen Belange intensiver auseinandersetzen kaum mehr schnell genug darauf reagieren können.

Aber das scheint genau so auch beabsichtigt zu sein.

Es liegt an uns, Öffentlichkeit für eine Politik zu schaffen, die in immer höheren Maße gegen die Rechte und die Menschenwürde Geflüchteter verstößt.

Auch wenn wir derzeit nur Wenige sind und auch wenn der Wind von allen Seiten scharf von rechts bläst, ist es doch richtig und wichtig Protest gegen diese unmenschliche Politik zu organisieren.