Der 1. Mai 2021 in Aschaffenburg

Rund 100 Teilnehmer*innen zogen am 1. Mai mit zahlreichen Transparenten, Fahnen und Schildern durch die Aschaffenburger Innenstadt. Ein kurzer Rückblick und Kommentar.

 


Nachdem der DGB Aschaffenburg sich im letzten Jahr kurz nach Ausbruch der Pandemie dazu entschlossen hatte, auf die traditionelle 1. Mai Demonstration zu verzichten, wurde für dieses Jahr wieder eine Demonstration mit anschließender Kundgebung angekündigt. Als IL Aschaffenburg hatten wir deshalb unter dem Motto „Lockdown Capitalism“ zur Teilnahme und Intervention aufgerufen.

Die Demo sollte wie üblich um 10 Uhr am Lindewerk starten und am Theaterplatz mit einer Kundgebung ihren Abschluss finden. Doch dann kam es anders.

In einer Konferenz am 28.04. entschied sich eine Mehrheit der lokalen DGB Gewerkschaftsfunktionär*innen die Demonstration abzublasen. Begründet wurde die Absage mit dem Verweis auf das laufende Infektionsgeschehen, aber auch mit der Gefahr es könnten sich Mitglieder der selbst ernannten Querdenker*innen-Bewegung unter die Demo mischen und Infektionsschutzmaßnahmen unterlaufen.

Nach bekanntwerden des DGB-Beschlusses, entschied das unabhängige Mai-Komitee (2020 ins Leben gerufen) kurzfristig, die Demonstration selbst durchzuführen.

Es beteiligten sich unter anderem Aktive von Attac Aschaffenburg-Miltenberg, der Kommunale Initiative (KI), der Interventionistischen Linke (IL) sowie Genoss*innen aus der kurdischen Bewegung. Dem Aufruf zur Demo folgten letztlich rund 100 Teilnehmer*innen. Neben den genannten Gruppen waren auch weitere Initiativen und Einzelpersonen, auch DGB-Mitglieder, vor Ort. Zum Auftakt gab es Redebeiträge von einem Vertreter der KI, einer Aktivistin des Feministischen März, sowie von Aktivisten der IL und der Kampagne Riseup4Rojava.

Begrüßt wurden die Teilnehmer*innen durch KI-Stadtrat Johannes Büttner.  Eine Rednerin des Feministischen März machte darauf aufmerksam, dass es keinen Arbeitskampf ohne Feminismus und keinen Feminismus ohne Arbeitskampf gebe und forderte, dass Care-Arbeit nicht nach rassistischen, geschlechtlichen oder klassenbezogenen Strukturierungen verteilt werden dürfe sowie eine Umverteilung und Anerkennung von Care-Arbeit.
Der Redebeitrag der IL Aschaffenburg kritisierte neben den autoritären und kapitalfreundlichen Corona-Maßnahmen der Regierung  u. a. die Ungerechtigkeit in der globalen Verteilung von Impfstoffen. Die Pandemie sei erst vorbei, wenn sie für alle vorbei ist, so müssten schnellst möglich die Impfstoffpatente ausgesetzt werden. Auch die notwendige, antikapitalistische Organiserung hinsichtlich der kommenden Verteilungskämpfe in der ökonomischen Krise der nächsten Jahre wurde betont.
Ein Redner der Initiative Riseup4Rojava hob die Verbindung zwischen dem 1. Mai und den Kämpfen der kurdischen Befreiungsbewegung hervor, beschrieb neuerliche Agressionen des türkischen Staats und machte deutlich, dass der Begriff der „Solidarität“ im ureigensten Interesse aller Menschen sei und wir diese wie die Luft zum Atmen benötigen.

Die Aschaffenburger Innenstadt war wie erwartet leider recht menschenleer. Bedingt durch die frühe Uhrzeit, dem Feiertag und der allgemeinen „Corona-Situation“, zog die Demonstration über Schweinheimer Str., Rossmarkt, Weißenburgerstr. und Landing. Zumindest erregte die Demonstration Aufmerksamkeit in den Wohnhäusern und zahlreiche Menschen zog es an Fenster und auf Balkone.

Beim Passieren eines Parkdecks bot eine kleine Gruppe ein solidarisches Fahnenwedeln samt antikapitalistischem banner drop und Musikeinlage. Ansonsten verlief der Zug relativ ruhig.  Das von einigen befürchtete Auftauchen von Personen des Querdenker*innen-Spektrum blieb aus.

Die Demonstration endete auf der DGB-Kundgebung am Theaterplatz, an der bereits ca. 150 Personen teilnahmen. Zwar begrüßte der DGB-Kreisvorsitzende Bjön Wortmann während seiner Rede die eintreffenden Demonstrant*innen, allerdings war er sich nicht zu blöde, gleich belehrend darauf hinzuweisen, dass auch die hinzugekommenen Demonstrant*innen Abstände einhalten und Masken tragen sollten. Ganz so als wären auf der Demonstration zuvor keine Infektionsschutzmaßnahmen beachtet und umgesetzt worden.

So viel gute Stimmung wie zuletzt auf der feministischen Nachttanzdemo oder am Abend, bei der revolutionären 1. Mai Demo in Frankfurt, kam leider nicht auf. Wie Demos zukünftig lebendiger und dynamischer gestaltet werden können, darüber sollten sich die beteiligen Initiatven Gedanken machen. An politischen Inhalten in der Außendarstellung mangelte es dank Schildern und Transparenten jedoch nicht.

Trotz der kurzfristigen Vorbereitung und den Einschränkungen durch die Übernahme organisatorischer Aufgaben wäre es für uns keine Option gewesen, auf die Demonstration zu verzichten.  Es war der dringend nötige Anlass, endlich auch in Aschaffenburg eine linksradikale Perspektive auf die Corona-Pandemie und ihre politischen Begleitumstände aufzuzeigen. Wir hoffen darauf, dass auch andere Zusammenhänge mehr in diese Richtung aktiv werden und sich linke Stimmen wahrnehmbarer in den gesellschaftlichen Diskurs einmischen.

Unter den gegebenen Umständen war die Teilnehmer*innenzahl ein Erfolg mit viel Luft nach oben. Aber mit dem unabhängigen Mai-Komitee ist eine tragfähige Vernetzung entstanden, die nun zum zweiten Mal gezeigt hat, dass sie auch kurzfristig dazu in der Lage ist, Demonstrationen am 1. Mai umzusetzen. Damit gehören Aschaffenburg in Bayern zu einer handvoll Städte, in denen es überhaupt gewerkschaftsunabhängige, linke 1. Mai-Demos gab.

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5 Antworten

  1. Interessierter Beobachter sagt:

    Ihr beschwert euch, dass Demos lebendiger gestaltet werden sollen? Es gibt wohl eine kleine Gruppe, die dagegen ankämpft. Ist euch vielleicht durchgegangen, aber es gibt auch ein Aktionsvideo zum 1. Mai: https://youtu.be/8e7qNxuyegE

  2. Rizo sagt:

    @ Interessierter Beobachter

    Hello,

    „Ihr beschwert euch, dass Demos lebendiger gestaltet werden sollen? “

    Im Artikel beschwert sich niemand, sondern es wird kritisch – und auch selbstkritisch – angemerkt, dass man sich über eine dynamischere und lebendigere Ausgestaltung von Demos Gedanken machen sollte.

    “ Es gibt wohl eine kleine Gruppe, die dagegen ankämpft. Ist euch vielleicht durchgegangen,“

    Die Gruppe und ihre Aktion wird im Artikel explizit erwähnt. Scheint dir vielleicht durchgegangen zu sein.

    Ob jetzt Pyro-Show versteckt im grünen Walde und Fahnenwedeln auf nem Parkhaus der erfolgsversprechende „Kampf“ gegen trostlose Zustände sind, erscheint mir persönlich fraglich.
    Ich finde die von den Video-Produzenten anderen vorgeworfene „maßlose Selbstüberschätzung“ ist bei so wortstarken Rundumschlägen eher ein kleiner Schuss ins eigene Knie. Mal so ganz objektiv betrachtet.

    Aber sei es drum. Hauptsache es wird irgendwann besser.

    • keingottkeinstaat sagt:

      Die Aktion mit Fahnen und das transpi war schon ganz nice, hat mich gefreut. Bisschen Schade, dass man die Bühne der Demo nicht aktiv genutzt hat als klar war, dass der dgb raus ist. Die Aktion war wohl als Intervention zur DGB-Demo angedacht? Weil inhaltlich, vom transpi her, gab es die Forderungen ja auch in den Redebeiträgen z.b. der il, schon bei Demobeginn.

      das Video dagegen ist ziemlich lost. Vor allem weil die antikapitalistische, Aufständische Botschaft durch rechts-antideutsches Gehabe unterlaufen wird

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