Corona-Demos: Too big to ignore?

Fortsetzung zum Artikel „Corona Krise Paradox“ über die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen in Aschaffenburg.

Facts zur Demo am 27. Juni Aschaffenburg:

  • Gegen Ende ca. 100 Teilnehmende, federführend waren erneut Vater und Sohn Harald und Marcel Bischof
  • Viele Plakate mit Impfgegnerbezug, Anhänger:innen des Gates-Verschwörungsmythos und von Qanon. Ein Transparent „Nicht links, nicht rechts – einfach Mensch“
  • Kurze Redebeiträge, wenig Inhalt: Gegen Maskenpflicht, gegen befürchtete Zwangsimpfung, gegen die falsch berichtenden Medien, für die Wiederherstellung der Grundrechte
  • Demo-Parolen: Weg mit den Masken, Lockdown weg, Aufwachen, Freiheit, Merkel muss weg (PEGIDA-Niveau erreicht)
  • Wirkung nach außen eher bescheiden, Passanten reagierten ablehnend bis spöttisch bzw. rätselten über das Anliegen der Demo
  • Deutliches Polizeiaufgebot (mehrere Greiftrupps BFE), sicherten u.a. die Fußgängerzone gegen die Demo ab
  • Am Stern brachten einige Antifaschist:innen ihre Ablehnung gegenüber der Demonstration zum Ausdruck
  • Zwischenfall I: Von einigen Teilnehmenden wurde ein Plakat mit der feststellenden Aufschrift „Nazis töten“, welches an einer Mauer an der Demoroute hing, als Anlass genommen sich lautstark aufzuregen und Passanten als „Linksfaschisten“ zu bepöbeln. Spricht auch für sich
  • Zwischenfall II: Gegen Ende der Demoroute legte sich ein Teilnehmer lautstark und aggressiv mit Besucher:innen einer bekannten Gaststätte in der Schlossgasse an, die Polizei musste dazwischen gehen. Daraufhin riefen zahlreiche Gäste „Masken auf!“ hinter der Demo her
  • Die von der Polizei erwartete Teilnehmer:innenzahl von 250 Menschen wurde bei weitem nicht erreicht

Einschätzung

Die Teilnehmer:innenzahl des Protestes stagniert seit Wochen bei ca. 80 Personen. Einen großen Mobilisierungsschub durch die Ankündigung einer Demonstration konnten wir nicht beobachten. Am 27.06. waren auch Teilnehmer:innen aus dem Umland, Miltenberg und teilweise aus Würzburg, angereist. Am 28.06. bei der wöchentlichen Sonntagskundgebung, waren es wieder ca. 80 Personen. Dies ist für den bundesweiten Trend sogar noch eine beachtliche Anzahl, in vielen größeren Städten dümpelt die „Bewegung“ mit weitaus weniger Teilnehmenden vor sich hin oder ist bereits wieder von den Straßen verschwunden.

Unter den Teilnehmenden in Aschaffenburg finden sich verschiedene anpolitisierte Spektren mit unterschiedlichen Interessen wieder. Aschaffenburger Gastronomen und Künstler:innen nahmen in der Vergangenheit an den Kundgebungen teil, doch scheinen nun eher allgemeines Misstrauen gegen die „Merkel-Regierung“ und irrationale Ideologien und Verschwörungsmythen der gemeinsame Nenner zu sein.

Die Verschwörungsmythen- und ideologien der jüngeren Vergangenheit wie z.b. Qanon oder die Gates-Corona-Verschwörung sind aus antifaschistischer Perspektive besonders problematisch. Hier fallen vielfach antisemitische Versatzstücke und strukturell antisemitische Stereotype auf. Feindbilder, die als Sündenböcke aufgebaut werden um einen inneren, in Deutschland völkisch-rassistisch geprägten, Zusammenhalt gegen den „äußerern Feind“ herzustellen. Kein Wunder also, dass auch die AfD in Person von Stadtrat Falko Keller immer wieder mal bei den Kundgebungen vorbeischaute und am 27.06. auch an der Demo teilnahm.

Die Forderungen und Aussagen auf den Schildern und Transparenten hatten wenig mit den Redebeiträgen zu tun. Die Veranstalter bemühten sich um eine gewisse Seriosität, die jedoch durch die Teilnehmer:innen unterlaufen wurde. Dass sie eine öffentliche Plattform für verwirrte Clowns, rechte und potentiell gefährliche Spinner bieten, müssen sie sich vorwerfen lassen.

Das, teils offen rechte, Spektrum der „Corona-Rebellen“ Aschaffenburg, welches Anfang Mai noch die Proteste in Aschaffenburg prägte, findet sich nicht auf den derzeitigen Veranstaltungen ein. Zumindest augenscheinlich war auch niemand einem Aufruf der rechten „Seligenstadt ist bunt genug“-Gruppierung, die sich aus der örtlichen Biker-und Naziszene zusammensetzt, nach Aschaffenburg gefolgt. Bei den entsprechenden Veranstaltungen in Miltenberg traten aber auch rechte Hetzer wie  der Ex-AfDler Mario Buchner auf. Die Anfälligkeit für rechte und antisemitische Erzählungen kann nur als Gefahr eingeschätzt werden.

Das Kernanliegen der Veranstaltenden in Aschaffenburg, die Aufhebung der freiheitseinschränkenden Corona-Maßnahmen, wird von der Realität der Lockerungen eingeholt und wirkt daher eher gegenstandslos. Nach dem anfänglich enorm repressiven Vorgehen gegen individuelle oder kollektive Verstöße, die schon schlimmste Befürchtungen aufkommen ließen (z.B. die gewaltsame Zerschlagung der Seebrücke Proteste in Ffm am 04. April), zeigte sich spätestens mit den großen #BlackLivesMatter-Demos, dass es den Regierenden gerade mal nicht darum geht, die Versammlungsfreiheit grundsätzlich einzuschränken. Was ja sonst eher trauriger Normalzustand ist, siehe Verschärfungen des PAG & Co.

Die offensichtlichen inhaltlichen Widersprüche führten wohl auch dazu, dass der Anmelder der Demo am 27.06., Harald Bischof, einen Tag darauf verkündete, für eine weitere Demo-Anmeldung nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Die wöchentlichen Kundgebungen werden wohl weiterhin stattfinden.

Und nun?

Antisemitische Anschläge wie zuletzt in Halle, verdeutlichen auf das Brutalste, wie gefährlich das Potential rechter und verschwörungstheoretischen Ideologien sein und wohin es in Konsequenz führen kann. Schon deshalb hat die Bewegung, die auch im Kontext eines allgemeinen gesellschaftlichen Rechtsruck bewertet werden muss, eine aufmerksame Betrachtung und Kritik verdient.

Doch das Abarbeiten  an politischen Gegnern birgt immer auch die Gefahr sich darin zu verzetteln. Es gilt deshalb den Spagat zwischen notwendigen Abwehrkämpfen und den Kämpfen für die eigenen politischen Ideen zu meistern. Voraussetzung dafür ist eine gründliche Betrachtung und Einschätzung reaktionärer Akteure und gesellschaftlicher Entwicklungen sowie deren Potentiale. Aber auch ob und welche Wirkmächtigkeit antifaschistischer Protest überhaupt entwicklen kann.

Bei der Betrachtung der lokalen Corona-Proteste können wir für uns als IL derzeit das Zwischenfazit ziehen, den Fokus lieber auf das Entwickeln eigener politischer Kämpfe für soziale und politische Gleichheit, der Aneignung des gesellschaftlichen Reichtums und für globale Solidarität zu richten. Denn wenn sich hierzu politische Kämpfe entzünden und sich diese gesellschaftlich verbreitern, sind sie gleichzeitig auch der beste Schutz gegen faschistische Tendenzen. Dennoch werden wir uns auch weiterhin mit dem Thema beschäftigen und sind solidarisch mit allen, die gegen diese tendenziell rechte und grundlegend reaktionäre Bewegung aktiv werden.

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3 Antworten

  1. 1 Stern sagt:

    Vielen Dank zunächst einmal an Euch für die gute Übersicht zu Teilnehmer*innen und Inhalte der Corona-Demos und Kundgebungen.

    Eine genaue und differenzierte Analyse ist wichtig, um zu erkennen, welchen Einfluß rechtsextreme Akteur*innen innerhalb dieser Proteste haben.

    In Aschaffenburg scheint es offen rechtsextremen Akteur*innen etwas schwerer zu fallen, die Anti-Corona-Protesten maßgeblich zu dominieren.

    Das ist aber schon nur ein paar Kilometer weiter weg von hier – in kleineren benachbarten Städten – völlig anders:

    In Seligenstadt werden die Anti-Corona-Proteste von Neonazis organisiert und inhaltlich bestimmt.
    https://seligenstadtgegenrechts.com/hetzseite/buergerbewegung-seligenstadt/

    In Miltenberg ist eine klare Rechtsentwicklung der Proteste erkennbar: Wurden die Kundgebungen dort zunächst eher aus dem alternativ-esoterischen Lager organisiert, scheint es dort inzwischen eine organisatorische Arbeitsteilung mit rechten Corona-Protestleer*innen zu geben:

    Bereits bei zwei Kundgebungen wurde dort der rechten Hetze des Redners Mario Buchner applaudiert. Buchner ist ehemaliger Fuktionsträger der AfD und betreibt den rechten Facebook-Blog „Freitags-Für-Deutschland“

    In den „Corona-Rebellen“-Internet-Gruppen sind zumindest personelle Verbindungen und gegenseitige Bewerbungen der Kundgebungen in Selgenstadt-Miltenberg und Aschaffenburg erkennbar. Und in Aschaffenburg hängen sich lokale AfD-Größen an die Proteste.

    Insofern sollten wir hier nicht über ein Verzetteln sprechen, sondern von dauerhaft notwendiger antifaschistsicher Recherche:

    Die notwendigen sozialen Kämpfe der Linken für ein Ende des kapitalistischen Systems (insbesondere für eine Vergesellschaftung des Gesundheitswesens inkl Abschaffung der Klassenmedizin via. Privatpatient*innen bzw. der Enteignung von Wohnungsbaugesellschaften..) sollten wir nicht als Ersatz sehen für antifaschistische und antirassistische „Abwehrkämpfe) – denn nur mit der größeren Sichtbarmachung linker sozialer Forderungen wird der Kampf gegen die Hetze, die Gewalt und den Terror der Nazis nicht erfolgreich sein.

    Denn der „autoritäre Charakter“ , der den meisten rechten Verschwörungstheoretiker*innen, Rechtsextremist*innen aber auch großen Teilen der Bevölkerung – und zwar quer durch alle Schichten – innewohnt, sehnt sich nicht nach sozialer Gerechtigkeit, sondern nach männlich-soldatisch strukturierten Herrenmenschen-Gesellschaften.

    Die anhaltenden und immer noch alltäglichen gewaltsamen Übergriffe von Rechtsextremist*innen in Deutschland bedürfen einer dauerhaften Wachsameit von Antifaschist*innen.
    Und auch wenn in Aschaffenburg eher (in einem neoliberalen Sinne) war egoistsiche. anti-soziale Inhalte (und noch keine offen rechtsextremen) Inhalte die Anti-Corona-Kundgebungen auf der Straße in Aschaffenburg dominieren:

    In den diversen Gruppen innerhalb der sozialen-Medien der „Corona-Rebellen“ war bisher auch auf lokaler Ebene erkennbar, dass es ein hohes Potential rechter, zum Teil offen antisemitischer Verschwörungstheoretiker*innen und Rechtsextremer gibt, deren Treiben der genauen Beobachtung bedarf:

    Die rechtsextremen Morde in Hanau, wie auch viele der Nazi-Morde davor wurden von Menschen begangen, die ihre Weltbilder in rechtsextremen Boards und Blasen des Internets präsentieren und sich dort bestätigt und ermutigt sehen konnten. Sie waren z.T. Anhänger*innen derselben rechten Verschwörungstheorien, die auch in Aschaffenburg erkennbar auf die Straße getragen werden: Der Attentäter von Hanau war genauso Änhäger der rechtsextremen Quanon-Verschwörungsthorie, wie diejenigen Teilnhemer*innen aif den Aschaffenburger Demonstrationen, die entsrpechende „Q“-Shirts tragen.

    Die Gefahr rechten Terrors besteht inzwischen sehr stark auch außerhalb erkennbar organisierter Nazi-Gruppen. Deren derzeit geringer Einfluß in Aschaffenburg kann daher noch kein alleiniger Beleg für eine niedrigere Gefahr, da sich Rechtsextreme im Netz auch durchaus ohne feste Strukturen radikalisieren und zur Tat schreiten können.

    Insofern die Bitte, Recherchen nicht als Abarbeiten klein zu reden, sondern – natürlich ohne Bedrohungen größer zu machen, als sie tatsächlich sind – von dauerhaft notwendiger antifaschistischen Draufschauens und Analysierens.

    Solidarische Grüße

    1 Stern

  2. MB sagt:

    Welch armseelige Verleumdungen. Baut euch nur eure Scheinwelt weiter auf. Sie wird fallen und die Wahrheit wird hervortreten.
    Nur zum Verständnis: Wer sich für FREIHEIT einsetzt ist kein Rechter, kein Nazi oder Verschwörer. Die echten Verschwörungen werden durch Artikel wie diesen entwickelt.
    Lächerlich. #univassbar

  3. Janosh sagt:

    Hallo MB,

    könntest du vielleicht darlegen, was genau du mit Verleumdungen meinst? Welche Textpassagen meinst du konkret?
    Und du sprichst von „Wahrheit“: wie sieht diese deiner Meinung nach aus?

    Aus deinem Post ergeben sich einige Fragen, ohne deren Beantwortung dein Kommentar einfach wie hingerotzt wirkt. Ganz nach dem Motto „Getroffene Hunde bellen“.

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