Enteignung als Teil kommunaler Baulandstrategie
Während das Thema in der Hauptstadt die Gemüter erhitzt, bringt die Kommunale Initiative (KI) Aschaffenburg das Thema in die lokalpolitische Debatte ein.
In einer aktuellen Stellungnahme schreibt die KI:
„Auf Kapitalinteressen und Spekulation, die dem Gemeinwohl offensichtlich zuwiderlaufen, muss die Stadt Aschaffenburg angemessen reagieren. Und als Ultima Ratio auch mit dem Mittel der Enteignung.“
Bei der Stadtratssitzung am 01.04.19 wurde das Thema Baulandstrategie behandelt. Der von der KI eingebrachte Punkt stieß dort auf deutliche Ablehnung und eine Mehrheit des Stadtrats will Enteignungen prinzipiell ausschließen. Das Main Echo berichtete darüber am 12.04.19.
Wir haben KI-Stadtrat Johannes Büttner dazu ein paar Fragen gestellt.
361°: Hallo Hans, als Stadtrat hast du für die KI zum Thema Baulandstrategie eine Stellungnahme in den Stadtrat eingebracht. Wie sieht die Situation in Aschaffenburg aktuell aus? Woran hakt es und was müsste sich deiner Meinung nach ändern?
361°: Wie fielen die Reaktionen in der Stadtratssitzung auf die Positionierung aus?
Hans: Die Diskussion hat sich vor allem an der Frage „Enteignung“ verschärft. CSU-, FDP- und auch Teile der SPD-Stadträte wollen nun verfassungswidrig den Missbrauch des Eigentums zum Schaden der Allgemeinheit schützen. Für sie ist dies ein unzulässiger Eingriff des Staates in die Freiheit der Bürger und hätte wohl einen sozialistischen Beigeschmack, viele Menschen würden diesen Begriff auch deshalb ablehnen. Allen voran der ehemalige CSU-Justizminister und der FDP-Bundestagsabgeordnete.
Diese Stadträte sind wohl der Meinung, dass, wer als Grundbesitzer in Baugebieten diesen Boden zu Spekulationszwecken hortet und nicht für den Wohnungsbau zur Verfügung stellt, dies auch weiterhin tun darf ohne mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen.
Leider haben diese „Volksvertreter“ vergessen, was ihre eigenen Parteioberen damals beschlossen und gewollt haben. Die Verfassungsväter – ob Adenauer (CDU) oder Schumacher (SPD) haben nicht nur zur Belustigung „Eigentum verpflichtet“ in die Verfassung eingefügt. Bei Missbrauch entfällt der Schutz des Eigentums: „Offenbarer Missbrauch genießt keinen Rechtsschutz“, so der Vater der bayerischen Verfassung, der ehemalige SPD-Ministerpräsident Hoegner im Artikel 158. Sanktionsmittel bei Missbrauch, d.h. bei Verstößen gegen die Verfassung, können nicht außer Kraft gesetzt werden. Auch Stadträte können dies nicht. Das ist wie: Bei Rot über die Ampel fahren wollen wir zwar nicht, ist Missbrauch der Freiheit, bestrafen tun wirs aber nicht.
361° Welchen Effekt würdet ihr euch von Enteignungen erhoffen? Und was sollte die Stadt mit enteignetem Eigentum konkret anfangen?
Hans: Die Androhung ist Druck und die Anwendung ist ja nur das letzte Mittel. So haben das andere Städte ebenfalls in ihrer Baulandstrategie festgeschrieben. Die KI hätte natürlich gerne vorrangig die Methode der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme angewandt. Das bedeutet, dass dann der Bodenwert der Flächen in dem zu beschreibenden Baugebiet eingefroren wird. Die Eigentümer werden verpflichtet, die Ziele der städtebaulichen Maßnahme umzusetzen. Wer das tut, darf sein Grundstück behalten. Wer das nicht tut, wird mit Entschädigung zum eingefrorenen Zeitwert enteignet. Diese Methode wurde aber in dieser Sitzung nicht favorisiert, sondern nur die Methode des Zwischenerwerbs durch die Stadt. Wenn nicht alle Grundstücke erworben werden, bleibt dann nur das Druckmittel, dass dann keine Bebauung stattfindet und eine profitable Vermarktung für die Eigentümer nicht möglich ist. Der Stadtrat wird je nach Fall erneut entscheiden müssen, für was er sich einsetzt.
Hans: Wie oben schon ausgeführt: Wir sind eine solidarische Gesellschaft. Freiheit hat die Grenzen, wenn sie die Gleichheit verletzt und beide zusammen die Solidarität zu stark einschränken. Ein schlauer Mensch hat mal gesagt, das alles steht in einem dialektischen Verhältnis zueinander. Gemeinwohl geht vor Eigennutz – der Schaden für die Allgemeinheit ist zu minimieren, wenn Eigennutz und Egoismus die Ursache sind. Das Eigentum ist zwar geschützt – schadet es aber unverhältnismäßig dem Wohle der Allgemeinheit, wird es missbraucht, dann hat es keinen Rechtsschutz mehr und kann mit Entschädigung enteignet werden. Das alles ist sowohl über das Grundgesetz als deutsche Verfassung wie auch durch die bayerische Verfassung gedeckt und gewollt. Wer das nicht sieht, verstößt gegen Verfassungsgrundsätze einer demokratischen und sozialen Gesellschaft. Der deckt Egoismus und Profitgier zum Schaden der Allgemeinheit. Aber das sind wir doch bei den jetzigen Regierungen und ihren Ministern gewohnt. Die kriminellen Machenschaften der Banken, der Automobilindustrie decken und schützen – GBW-Wohnungen privatisieren und verscherbeln. Wir kennen die Verantwortlichen. Die Verfassungsgrundsätze kennen diese nicht.
361°: Wir danken dir für die Beantwortung der Fragen.